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Habt ihr vielleicht mal ein bisschen Kleingeld?

  • Seebee
  • 5. Sept. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 23. Sept. 2023


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„Also so kann das hier Deutschland nicht weitergehen!“, meint mein Kumpel Steffen beim Gang durch den Görli. „Seit Merkel ist unsere Flüchtlingspolitik sowas von verfehlt. Wir müssen endlich wie andere Länder auch die Grenzen zumachen. Man sieht ja hier bei dir wohin das führt!“

„Naja, ein Teil der Junkies sind definitiv arabischer Herkunft“, gebe ich zu „aber bei weitem nicht die Mehrheit!“

„Aber mein Bruder, der Sanitäter, sagt auch, dass der Anteil der Messerangriffe bei Noteinsätzen immer mehr steigt!“, besteht er auf der Theorie, dass unsere Drogen-, Kriminalitäts- und Obdachlosenproblematik in erster Linie durch Flüchtlinge verursacht wird.

Ich zucke zweifelnd mit den Achseln, denn ich glaube, dass ein Messer in Ermangelung von Geld oder eines Waffenscheins bei jedem zu finden sein kann, der auf der Straße lebt und schon einmal in die Situation gekommen ist sein Leben oder seine Habseligkeiten gegen andere zu verteidigen.

Aber solche Probleme haben wir natürlich nicht. Wir sitzen nach dem Gang durch das Dealerspalier vom Görli gemütlich bei einem schicken Italiener in der Görlitzer Straße und wählen unser Essen nicht nach seinem Preis aus.


Schon beim Aperitif – Limoncello Spritz – nähert sich eine dicke junge Frau mit schmutzigem Gesicht den Tischen und bitte in akzentfreiem Deutsch um eine kleine Spende. Ich kenne sie vom Sehen. Sie lebt schon seit Monaten mit ihren Decken und Tüten am Hermannplatz - direkt vor einer der Kaufhaustüren von Galeria. Vor sich meistens eine ganze Menge Essen von einer der zahllosen Fastfood-Läden.

10 Minuten später kommt der nächste Bedürftige angeschwankt. Nur bekleidet mit einer kurzen Hose, die kaum die Pobacken bedeckt, lallt er vergeblich die Gäste um etwas Kleingeld an und hinterlässt auf seinem Weg eine beißende Geruchsspur von altem Schweiß und Alkohol.

Und schließlich versucht auch der Verkäufer einer Obdachlosenzeitung sein Glück.

Alle drei waren so deutsch wie Steffen und ich und relativ erfolglos.

Auch ich habe meinen Geldbeutel nicht geöffnet. Liegt es daran, dass ich schon so abgestumpft bin oder an der Tatsache, dass ich problemlos jeden Tag 20 Euro loswerden könnte, wenn ich hier unterwegs bin und jedem etwas in die Hand drücken würde?


Vor einigen Jahren waren hier eher die Roma unterwegs. Sie wollten nicht nur Geld, sondern freuten sich auch über ein Stück Pizza oder eine Limo für die Kinder. Und manchmal standen sie abends an der Parkmauer, haben Musik gemacht, gelacht und getanzt. Ich habe ihnen immer gerne etwas gegeben…

 
 

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