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Der Tag, an dem unserer Mülltonne entführt wurde

  • Seebee
  • 26. Aug. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Feb. 2024



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Mein Auto muss zum TÜV - und da ihm vor ein paar Wochen nachts ein Aggrojunkie oder Aggroalki den Spiegel abgetreten hat, kostet es mich auf jeden Fall mehr als die übliche TÜV-Gebür. Meine Laune ist also nicht so besonders.


Als ich aus dem Haus trete, greift sich gerade ein Typ unsere Papiermülltonne, die seit gestern Nachmittag schon auf dem Bürgersteig seht, weil die Jungs von ALBA vergessen haben, sie wieder in den Hof zurückzubringen.

Mein erster Gedanke: Ah, doch noch einer dem das aufgefallen ist und der sie jetzt reinräumt. Mein zweiter Gedanke: Der hat aber keine orangene Weste an und sieht eigentlich eher wie einer unserer wohnungslosen Mitbewohner aus.


Aber ich bin eh schon spät dran und muss eigentlich los. Mein Blick folgt ihm also nur ein paar Meter auf seinem Weg nach rechts und wendet sich dann meinem Auto zu.

Beim Ausparken sehe ich, wie er wieder zurückkommt, unsere Tonne schiebt er noch immer vor sich her. Prima, denke ich, er stellt sie wieder hin. Allerdings nur bis ich in die Glogauer einbiege und feststellen muss, dass er flotten Schrittes mit dem blauen Gefährt in Richtung Skalitzer Straße marschiert. Ich wäge den Zeitaufwand für die endlosen Mails mit der Hausverwaltung zur Wiederbeschaffung einer neuen Papiertonne gegen meine Zeitknappheit bezüglich des Termins mit der Werkstatt auf. Ersteres macht das Rennen. Also gleich in die Reichenberger abgebogen und dann die Liegnitzer wieder hoch auf die Wiener.


Ungefähr zeitgleich erreichen wir die Straßenecke beim Multikulti Späti. Mit einem schnittigen Bremsmanöver in zweiter Reihe schneide ich ihm den Weg ab, steige aus und richte mich zu meinen ehrfurchtsgebietenden 1,65 auf: „Und jetzt bitte wieder den Weg zurück und die Tonne schön da abstellen, wo sie stand. Vor unsrem Haus!“

Verärgert schaut er mich an und ein unverständlicher Schwall von polnischer, russischer, ukrainischer oder sprachwissenschaftlich ähnlich gelagerter Schimpftirade ergießt sich über mich. Also das ganze noch mal langsam und mit vielen Gesten, die eindeutig klar machen sollen, dass das MEINE Tonne ist und dass sie wieder ZURÜCK muss. Ich bin nicht nur im vorwurfsvoll Kucken gut, ich kann auch schimpfen wie ein Rohrspatz, wenn‘s drauf ankommt. Ob er mich versteht weiß ich nicht, jedenfalls führt irgendwann das von mir geäußerte Zauberwort POLIZEI dazu, dass er mürrisch den Deckel aufklappt. Leere Flaschen, Plastiktüten mit seinen Habseligkeiten und dann ganz von unten ein Bierkasten mit leeren Flaschen kommen zum Vorschein. Immer noch vor sich hingrummelnd macht er sich mit der Tonne in Richtung unseres Hauses auf. Ok, ehrlich gesagt nur etwa 50 Meter, dann muss er zurück und seine Beute bewachen. Den restlichen Weg machen die Blaue und ich alleine.


„Zuerst fand ich's ja spannend. mal was anderes zu sehen, als immer nur unseren Garten“, meint sie auf dem Rückweg. „Aber du weißt ja, ich bin Antialkoholiker und da fand ich dann den Geruch von seinen Flaschen doch sehr belastend. Schön wieder Zuhause zu sein!“


 
 

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